Ich rechnete mit Regen. Deshalb fing ich an zu recherchieren. Ich suchte nach einem Bus, mit dem ich bis zur Jökusarlon fahren konnte. Der Preis war hoch. Knappe 10000 Kronen. Etwas über 65 Euro. Am vorletzten Tag in Reykjavik kam ich mit drei Belgiern ins Gespräch. Die drei bestaunten mein Rad das neben dem Zelt am Zaun lehnte. Sie waren begeistert. Auch von den farblich abgesetzten Komponenten. Mir gefallen die Weinrote Sattelstütze und die Spacer am Vorbau ebenfalls sehr gut. Die drei boten mir an mich mit ihrem Leihauto mitzunehmen. Jeder profitierte davon. Sie für den günstigeren Preis. Ich ebenfalls. Nur etwa die Hälfte kostete mich der „lift“. Zu viert verließen wir am 30. Juli Reykjavik. Eine Deutsche war auch noch mit dabei.
Das erste Stück bis Selfoss bin ich bereits einige Tage zuvor selbst mit dem Rad gefahren. Damals hatte ich keine Sicht. Dichter Nebel hing tief und mein Blick reichte nur selten über den Lenker. Meistens befand er sich in Höhe des Oberrohrs und dem Vorbau. Versunken in Gedanken und immer wieder dabei neue Motivationen zu finden. Es regnete in Strömen. Das Wasser in den Schuhen rannte hin und her. Ich wollte nur ankommen.
Das Stück nach Selfoss kannte ich noch nicht. Weite Ebenen erwarteten uns mit Blicke auf den Ozean. Links neben uns die großen Berge. Es war wunderschön. Es war ganz ungewohnt nicht im Wind zu sein, nicht die Natur zu riechen. Nichts zu hören. Es war wie in einem Kasten zu sitzen der umgeben war von Glas. Als hätte man Ohrstopsel auf. Ich genoss dennoch die Landschaft. Ich machte nichts anderes als aus dem Fenster zu schauen und zu genießen. Dann in der Ferne etwas das sich nur ganz langsam bewegte. Ein Radfahrer. Ich konnte genau nachvollziehen was er dort draußen erlebte. Jedes Mal wenn wir an einem vorbeifuhren winkten die vorderen beiden im Auto. Wir rätselten eine Weile darüber welcher der Berge vor uns nun der „Eyjafallajökull“ war. Der berühmte Berg der 2010 Ausbrach. Der Ausbruch unter dem Eis hielt sechs Wochen an und legte den Flugverkehr teilweise in Zentraleuropa lahm. Vor einer Farm mit Blick auf das Massiv war unser erster Stopp. Der zweite bei Skogar. Der imposante Skogarfoss erwartete uns. Ich war der einzige der auf einen Stopp bestand. Die anderen hatten ihn bereits schon gesehen. Ich weis nicht wie viele Wasserfälle ich schon sah. Aber einige von ihnen, nicht alle hatte ihren eigenen Chame und reiz. So auch dieser. Er war nicht so hoch. Darum ging es auch nicht, denn das ganze Umfeld (außer den Touristen) stimmte. Die Wassermassen stützen etwa 60 Meter in die Tiefe. Unten sah man keine Wassermassen mehr. Nur noch Wasserstaub war zu sehen. Davor ein Regenbogen. Umgeben war alles von Felsen die mit gras und Blumen bewachsen waren.
Wir stoppten gegen späten Nachmittag noch mal in Kirkjubaejarklaustur bei der N1 Tankstelle. In Island einen Kaffee zu trinken ist einfach genial. Man bezahlt einmal und darf sich so oft man will nachfüllen.
Am Abend erreichten wir die Gletscherlagune Jökusarlon. Ein Anblick der schöner nicht sein hätte können. Das Eis das in der Ferne von der Zunge Abbrach trieb hier in verschiedenen Größen und Formen in dem gräulichen Wasser. Die Lagune ist mit einem schmalen Ablauf mit dem Atlantik verbunden. Es war gerade die Zeit als die Flut herein kam. Das wussten auch die Seeroben die am Eingang ihre Runden drehten. Kommt die Flut, kommt der Fisch. Abendessen war also serviert. Die Tiere trieben im Wasser umher und ließen sich nicht von den Menschen die sie bestaunten stören. Einige von ihnen kamen sehr nahe ans Ufer heran. Hier sind auch einige Vogelarten zu Hause. Auch die schon mir bekannten Seeschwalben die mich vor allem in den Westfjorden attackierten um ihre Brut zu schützen.
Als wir zum Ozean liefen konnten wir einige der angespülten Eisblöcke sehen die in sehr bizarren Formen an dem schwarzen Sandstrand lagen. Manche, vor allen die größeren trieben noch im Wasser mit der Bewegung des Wellengangs. Der schwarze Sand war einst Lavagestein. Dank ein paar Wolken die am Himmel zu sehen waren gab es einen schönen Sonnenuntergang.
Wir luden zusammen das Fahrrad aus dem Kofferraum des Ford Focus aus mit dem wir gekommen waren. Die anderen fuhren noch in derselben Nacht zurück nach Reykjavik. In wenigen Tagen sollte ihre Reise in Island zu Ende gehen. Ich baute das Rad wieder zusammen, genoss dabei die Lagune neben mir und schob das Rad spät Abends auf die westliche Seite. Dort schlug ich das Zelt auf einer Anhöhe mit Blick über Jökursarlon auf. Ich freute mich auf den nächsten Tag. Ich wollte mit dem Raft zwischen den Eisbergen umherpaddeln.
Um kurz vor neun Uhr saß ich im Boot und paddelte durch eine dünne Schicht von Eisstücken die vor mir im Wasser trieben. Die Eisberge waren wirklich groß und wirkten imposant. Ich wusste dass ich nur ein kleines Stück von den Eismassen sah. Das meiste befand sich unter der Wasseroberfläche. Circa zwei drittel der gesamten Masse. Die Formen waren bizarr. Es waren nur selten glatte Flächen. Zu meist sah es aus wie kleine Krater die sich aneinander reihten. Das Eis schimmerte von Weiss- bis Türkisfarben. Insgesamt war ich über drei Stunden auf dem Wasser. Bei der Rückfahrt entdeckte ich einen sehr großen Eisberg. In der Mitte fand ich eine Höhle die etwa 6 Meter hinein reichte. Erst zögerte ich etwas. Könnten die Masse von Eis über mir einstürzen? Ich verwarf diesen Gedanken schnell wieder, zu groß war die Freude dort hinein zu fahren. Das Schmelzwasser tropfte von der Decke herab. Ich zog die Kapuze der Jacke über den Kopf. Dumpfes Prasseln war auf dem Boot zu hören. Es war unglaublich. Beim zurückpaddeln hörte ich irgendwo in der Ferne das erste Krachen. Die Sonne schien auf das Eis. Die ersten Eisberge begannen zu brechen. In der Ferne sah ich einen größeren der beim Einstürzen größere Wellen verursachte. Es war Zeit aus dem Wasser zu gehen. Ich war etwas erschrocken über mich selbst. Darüber das ich nicht wirklich Angst davor hatte dass ein Eisberg direkt neben mir kollabierte. Ich bestaunte die bizarren Formen weiterhin und paddelte in dem Labyrinth ans Ufer. Für mich war das der schönste Ort an dem ich seither das Raft einsetzten konnte. Unbeschreiblich schön. Schwer die passenden Worte hierfür zu finden.
Ich verließ die Lagune noch am selben Tag. Das Ziel war Skaftafell National Park. Ich blieb dort zwei Nächte. Die fahr hierher war einfach schön. Ich fuhr vorbei an einigen der Gletscherzungen des größten Gletscher Islands. Der Vatnajökull. Er bedeckt etwa 8% der Landfläche. Mehrer Abflüsse der Lagunen passieren dabei eine Steinwüstenartige Landschaft bevor sie in den Ozean floßen. Ein erstaunlicher Anblick dieser Landschaft. Was für eine Kraft.
Am ersten Abend lief ich zu einer weiteren Gletscherlagune. Diese war nicht ganz so imposant wie die in der ich vor einigen Tagen paddelte. Dafür überzeugte hier das Gesamtbild. Der Blick auf die Berge und den Eisbruch in der Ferne. Hier ist auch der Höchste Berg Islands mit 2120 Meter Höhe.
Am nächsten Morgen bin ich zu einer Wanderung aufgebrochen. Ich lief durch eine Landschaft, aus Büschen und vereinzelten Bäume von denen einige bis zu 12 Meter hoch waren (mir war gar nicht bewusst wie ein Schwarzwälder Bäume vermissen kann, besonders in Island). Der Weg führte mich bis zum Wasserfall. Svatifoss. Ein eher kleiner. Der Fall stürzte nicht arg in die Tiefe. Das schöne daran war das es hinter dem Fall Freiraum gab, sprich das Wasser nicht an den Felsen herabstürzte. Umgeben war das Geschehen von hohen Basaltsäulen von denen einige eine fast 45 Grad Neigung hatten.
Am Nachmittag folgte ich einer kleinen Gruppe zu einer Gletschertour. Wir waren 7 Personen und ein Guide. Marta brachte uns bei wie man Steigeisen anlegte, Die Axt benutzt und die Richtigen Schritte auf dem Eis machte. Da gab es den normalen Aufstieg der im Charly Chaplin Style hinauf führte. Die Traverse im T Schritt. Diese wird je nachdem in welche Richtung man läuft anders gegangen. Und den Abstieg mit Verlagerung des Gewichts nach hinten. Ich hatte meine Steigeisen festen Schuhen an und konnte somit auch kleiner Aufstiege mit den Frontzacken der Steigeisen bewältigen. Es war eine besondere Erfahrung den jetzt konnte ich auf dem Eis laufen. Nicht nur drum herum paddeln.
Zurück auf dem Zeltplatz gönnte ich mir einen Kaffee. Beim leichten zischen des Kochers konnte ich den höchsten Berg Island führ kurze Momente sehen nachdem die Wolken ihn freigaben um ihn kurz darauf wieder zu verschlingen.
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