Die Landschaft war noch ursprünglich. Der Flusslauf ebenfalls. Die ersten Tage brauchte ich um mich an das neue Reisen zu gewöhnen. Es war meine erste Bootstour. Auch was die Ausrüstung betrifft, brauchte ich noch etwas Zeit, aber nach einer Weile fand alles seinen Platz. Zu Beginn verstaute ich alles in dem 79 Liter Packsack, den ich vorne auf dem Buck mit der Bootsleine an den vier Laschen festzog. Das Gewicht drückte den vorderen Teil des Bootes jedoch so stark ins Wasser, dass ich überlegte die Ausrüstung anders zu verteilen um besser voranzukommen und mehr Handling in der Steuerung zu haben. Das Zelt fand hinter mir am Heck Platz. Ich zog es ebenfalls an den Laschen mit einer weiteren Leine fest. Jetzt kam ich deutlich besser zu recht und hatte sogar eine Kopfstütze für die Zeit in der ich entspannt den Kopf zurücklegen konnte und mich von der Strömung treiben lies. Direkt vor mir hatte ich die Fototasche mit Spanngurte an den Laschen und an der Bootsleine befestigt. So hatte ich sie immer griffbereit. Das Essen für den Tag verstaute ich hinter mir zwischen Sitz und Lehne. Ich selbst hatte im Packraft nicht viel Platz. Mir reichte es jedoch aus.
Das schöne an dieser Art zu reisen ist der Blick auf das Geschehen um mich herum. Ich sah vor allem Tiere, die ich so von Wegen entlang am Ufer nicht sehen würde. So konnte ich z.B. kleine Nagetiere sehen die entlang am Ufer über Steine, Wurzeln oder Erde gelaufen sind, kurz stoppten um sich umzuschauen und weiter liefen. Einige bemerkten mich, waren jedoch nicht extrem scheu, so dass sie mir verwundert nachschauten bzw. zuschauten. Schön ist es auch den Bibern zuzusehen, wenn sie etwas zurück in ihren Bau brachten. Sie waren jedoch extrem scheu.
Ich fand die ersten Tage besonders schön, durch scheinbar unberührte Natur zu paddeln, dem Flusslauf zu folgen und die Stromschnellen zu passieren hatte fast etwas Magisches. Nur selten wurde ich durch Brücken, über die Autos und Züge fuhren, erinnert, dass da noch jemand anderes ist. Einmal konnte ich mich sogar fast unbemerkt einer Rotte Wildschweine nähern. Als sie mich jedoch bemerkten ergriffen sie die Flucht.
Zu jeder Tagesetappe kamen unzählige Wehre die ich umgehen musste. Nicht selten über fünf Mal an einem Tag. Manchmal folgte nach 500 Meter bereits das nächste. Einige Menschen, die ich unterwegs getroffen habe, erzählten mir immer wieder dasselbe. „Der Neckar ist verseucht von Wehren und Schleusen“. Wenn ich jetzt zurückschaue war dies der anstrengendste Teil der Tagesetappen. Wenn ich Glück hatte befand sich gleich nach dem Ausstieg vor dem Wehr eine Wiesenfläche auf der ich das Boot Richtung der Einstiegstelle Talwärts ziehen konnte. Selten hatte ich jedoch das Glück. Oft musste ich zwei Mal laufen. Erst den Packsack mit Paddel, dann zurück und das Boot mit Statie und Fototasche holen. Abends war ich fix und fertig, freute mich auf einen Zeltplatz, ein warmes Essen und meinen Schlafsack mit ein paar Seiten von Dan Kierans fantastischem Buch „slow travel“. Wie bei all den Reisen zuvor hatte ich auch dieses Mal das Empfinden, dass die Zeit nur sehr langsam vergeht. Der Grund dafür ist, dass ich immer etwas Neues erlebe und bewusster wahrnehme was um ich herum und bei mir selbst geschieht.
Nachdem ich Rottenburg passierte und der Neckar immer breiter wurde und dessen Fließ- geschwindigkeit deutlich abgenommen hatte plackten mich die ersten Zweifel. Ich kam fast nicht mehr voran und es fühlte sich an, als ob ich auf der Stelle festklebe egal wie oft ich mich mit den Paddelblättern versuchte vorwärts zu drücken. Mein Gefühl sagt mir jedoch: weiter!
Als ich nach 8 Tagen kurz nach Nürtingen nochmal mehrere schnelle Stromschnellen passierte, die mich mit deren Fahrspaß begeisterten sollten, keine weiteren mehr folgten. Was folgte war kurz vor Plochingen ein Schwan, der mich buchstäblich jagdte. Im Mai ist die Zeit in der die Schwäne ihren Nachwuchs bekommen und den wissen sie bereits jetzt schon gut zu verteidigen. Insgesamt musste ich dreimal die Flucht ergreifen, schon fast um mein Leben bzw. das des Packrafts zu paddeln und sofort an Land gehen und das Ufer verlassen. Nachdem ich das Boot mit Ausrüstung kräftezehrend über eine Wiese gezogen und getragen hatte, konnte ich nach gut 500 Meter wieder einsteigen. Der Wind frischte auf und ich kämpfte gegen die höchsten Wellen an die ich auf dem Neckar hatte. Wenn ich nicht paddelte drückte mich der Wind wieder Fluss aufwärts. Dasselbe kenne ich vom Tourenrad. Auf Tasmanien hatte ich einmal so starken Gegenwind, dass ich bergab noch treten musste um überhaupt vorwärts zu kommen. Diese Zeit ist die frustrierteste für mich als Reisender und ich bin fast immer am fluchen.
Ich kämpfte mich Meter für Meter voran als vor mir das erste Güterschiff auftauchte. Ich war im Hafen von Plochingen angekommen und der Wind pfiff mir nur so um die Ohren. Es gab kein natürliches Ufer mehr, Stahl-U-Profile reihten sich Stück an Stück zusammengesteckt und geschweißt aneinander bis sie in der Ferne immer kleiner wurden und nicht mehr als solche erkennbar waren. Links und rechts Große stählerne Krähen die Lasten bis 10 Tonnen tragen konnten. Dahinter große Lagerhallen oder Berge von Schrott. Ich wollte nicht mehr und suchte verzweifelt nach einer Zeltmöglichkeit. Nachdem ich den etwa 2 Kilometer langen Hafen kämpfend hinter mich hatte sah ich rechts eine Wiese und einige kleinere Boote mit Masten die auf Anhängern oberhalb des Wasser standen. Ich paddelte direkt auf den langen schönen Anlegesteg zu. Ich war beim Yachtclub Plochingen angelangt. Ich sah Leute herumlaufen und fragte ob es mir erlaubt sei hier mein Zelt für eine Nacht aufzuschlagen. Vom Vorstand bekam ich die Zustimmung. Was folgt war ein geselliger Abend mit einer guten Stimmung, tollen Geschichten und vielen Tipps für meine Weiterreise auf dem Neckar. Knapp 180 Kilometer lagen noch vor mir bis Heidelberg, 200 Kilometer bis zur Mündung in den Rhehn. Abends schätzte ich es eine warme Dusche zu haben und die Kleider zu waschen.
Auf meiner weiteren Reise hatte ich 27 Schleusen zu passieren. Zu Beginn benutze ich eine Schubkarre um mein Boot zur Talseite der Schleuse zu bringen um es dort wieder ins Wasser zu lassen. Ich war froh, dass die Schubkarren meist anzutreffen waren die ich zu meist neben einem Schopf mit Winterstreusalz vorfand. Die ersten sechs Schleusen passierte ich auf diese Weise. Nun sollte die Schleuse selbst folgen. Ein Mann winkte mich herbei. Ich paddelte auf die offenen Schleusentüren hinzu. Ich paddelte zur Mitte der etwas über hundert Meter langen Schleusenkammer und hielt mich an einer der gelb markierten Notfallleiter am Rande der Kammer fest. Die Tore hinter mir wurden geschlossen und das Wasser aus der Kammer gelassen. Stück für Stück griff ich immer zwei Sprossen runter. So wurden Höhenunterschiede von bis zu 8 Metern ausgeglichen. Insgesamt durfte ich ca. zehn Schleusen benutzen. Ich bekam sogar eine Liste mit den jeweiligen Telefonnummern der Schleusen um mich dort zu melden. Ich denke immer wieder an ein Schleusenwärter der sagte „So ein Unternehmen muss unterstüttz werden“ Meine Frage, ob es schon andere gegeben hätte, die den Neckar wie ich befahren, wurde verneint. Nur ab und zu kommen Kanuwanderer vorbei die in Stuttgart starten würden.
Später hatte ich auch noch das Vergnügen mein Boot mit dem Bootswagen übersetzen zu dürfen. Eine extra Schienenverbindung von Berg- zu Talseite war vorhanden auf denen man den Alu- aber auch manchmal aus Stahl gefertigten Wagen per Hand zog.
Wie die ganzen drei Wochen lang so zeltete ich auch bei meiner Ankunft in Heidelberg. Dort kam ich unter beim Wassersportverein. Insgesamt sind dort drei Vereine vertreten, die Rudergesellschaft, die Universität und eben der Wassersportverein. Auch dort konnte ich die Waschräume benützen und sogar die Küche für meine Abendessen. Als ich mich am nächsten Morgen gegen sechs Uhr durch die Straßen der Altstadt lief waren diese wie ausgestorben. Fast kein Mensch war zu sehen. Erstaunt war ich dass alle Geschäfte erst ab zehn Uhr öffneten. Mir wurde gesagt, dass das früher noch nicht so war. Ich lief durch die Gassen, hoch zum Schloss und war begeistert von der Stadt die ich schon immer mal anschauen wollte. Als Kind wären wir hier fast einmal hergezogen.
Es war schon etwas später als ich mich aufmachte um weiter nach Mannheim zu paddeln. In den letzten Tagen war ich immer mehr angetan von der Vorstellung weiter zu paddeln zum Rhein. Die Zweifel der vergangenen Tage, die mich noch einige Zeit nach Stuttgart begleiteten haben sich in Begeisterung und Vorfreude gewandelt. Und selbst bei meiner Ankunft in Mannheim wollte ich weiter, ich hatte Lust zu paddeln, auf dem Wasser unterwegs zu sein und was ich wollte war auf keinem Fall die Luft aus dem Boot zu lassen.
Es war unglaublich, denn als erstes war ich schneller unterwegs und musste nicht mehr ganz so viel paddeln. Im Schnitt legte ich auf dem Neckar etwa 20 Kilometer am Tag zurück. Auf dem Rhein schaffte ich es Distanzen von 43 Kilometer an einem Tag zurückzulegen. Der Frachtschiffverkehr nahm deutlich zu, nicht selten fuhren zwei bis drei Schiffe direkt hintereinander. Am Ufer gab es richtige Sandstrände zehn Meter und breiter, sogar kleine Buchten umgeben mit Steine und dichtem Wald mit großen Pappelbäumen. Ich fand wunderschöne Zeltplätze.
In Mainz mündet der Main in den Rhein. Den Mainradweg bin ich bei der Erlebnistour 2012 bis zur „Weiß Main Quell“ gefolgt. Damals habe ich diese Reise nicht hier begonnen, sondern in Kelsterbach.
Im selben Jahr kam ich aber dennoch in die Nähe der Mündung. Damals war ich bei einem Vortrag im Schloss. Nach dem Vortag übernachtete ich mitten in der Stadt in meinem umgebauten Auto und fuhr am nächsten Morgen zum Main, jedoch nicht zur Mündung.
Jetzt fuhr ich mitten auf bzw. in der Mündung. Auf dem großen Wall auf dem sich auch das große blaue Schild mit der weißen Aufschrift „ Main-Donau-Wasserstraße“ befindet, standen und saßen einige Radfahrer neben deren Räder. Ein Angler versuchte sein Glück mit einem Blinker.
Das Wasser des Rheins sieht an sonnigen Tagen sehr klar aus, jedoch ändert sich dies wenn man auf einen Zusammenfluss kommt. Das Wasser wird braun.
Der landschaftliche schönste Teil auf dem Rhein war der Abschnitt zwischen Bingen und dem Endpunkt dieser Reise in Koblenz. In Rheinland Pfalz verengt sich der Rhein extrem und das Wasser wird an einigen Stellen durch einen natürlichen Felskanal gedrückt. Die bis zu 200 Meter hohen Berge steigen steil kurz nach dem Ufer an, Weinreben ziehen sich Kilometer weit über die Hänge. Die Ortschaften die am Ufer vorbeiziehen sind extrem schön. Altes Fachwerk, mittelalterliche Gebäude und Stadtmauern mit Wachtürmen sind zu sehen. Oben auf den Bergen oberhalb der Städte thronen majestätisch prachtvolle Schlösser und Burgen. Die Passagiere der Reiseschiffe befinden sich jetzt alle auf dem oberen Deck und fotografieren. Wer mich mit samt dem Gepäck in meinem kleinen roten Boot entdeckt winkt und ruft. Auch von mir werden Fotos gemacht.
Ich fuhr bereits schon an hunderten Bojen vorbei. Nur noch zwei Tagesetappen trennten mich von Koblenz. Ich war gerade dabei Fotos mit der Kompaktkamera zu machen als ich plötzlich bemerkte, wie ich auf eine Boje zutrieb. Ich verstaute die Kamera und verschloss die Tasche. Ich paddelte auf die linke Seite, um an der Boje vorbeizukommen. Jedoch ohne Erfolg - die Strömung lies mich nicht nach links kommen. Ich versuchte es rechts. Auch dies war mir nicht möglich. Ich versuchte es noch weitere Male mit noch mehr Kraft und noch schnellerenn Paddelstichen ins Wasser. Keine Chance - ich trieb direkt auf die Boje zu, wurde gedreht und das Boot umgerissen. Ich war gekentert. Meine ersten Gedanken waren voll Panik um meine Sachen und dass alles fortschwimmt. Nach Sekunden war ich wieder Herr über mein Handeln, sammelte Stück für Stück meine Sachen ein. Zuvor im Boot hatte ich die Schuhe ausgezogen. Jetzt begann ich erst nach dem linken Schuh zu suchen, ich fand ihn, hielt ihn fest und tastete nach dem rechten. Jetzt nach dem Paddeln das etwas abseits im Wasser mit dem Strom trieb. Jetzt hielt ich mich am Boot fest und schwamm zum Ufer. Dort angekommen war ich erschöpft und begann zu realisieren was geschehen war. Bei zurückschauen zu der Boje stellte ich fest, dass es ca. 50 bis 60 Meter bis dahin waren. Die wasserdichte Kamera lief die ganze Zeit während des Geschehens.
Ich hatte eine gute Zeit in Koblenz. Bei der Ankunft durfte ich beim Fährmann, der auf der Mosel kurz nach dem Deutschen Eck Passagiere von einer Seite zur anderen befördere, mein Boot zurücklassen.
Ich lief durch die Gassen und weiter in das Industriegebiet um bei einem Fahrradhersteller vorbei zu schauen. Das Mountainbike, das ich seit einigen Jahren fahre, wurde hier zusammengebaut.
Am Nachmittag lief ich zurück zum Deutschen Ecke. Dort traf ich auf einen Rentner der mir einen Teil der Geschichte der Stadt erzählte. Er berichtet von der frühen Besiedelung der Kelten der Burganlage, von Wilhelm dem Großen und seinem Denkmal, deren Zerstörung und des Denkmals der Wiedervereinigung.
Nach einem Blick vom Denkmal kehrte ich zurück zu meinem Boot, lies den geschichtlichen Ort und die Seilbahn mit den Gondeln hinter mir und paddelte die letzten Kilometer bis zum nördlichsten Ende der Gemüseinsel Niederwerth. Zum letzten Mal stellte ich das Zelt am Ufer des Rheins auf.
Das schöne an dieser Art zu reisen ist der Blick auf das Geschehen um mich herum. Ich sah vor allem Tiere, die ich so von Wegen entlang am Ufer nicht sehen würde. So konnte ich z.B. kleine Nagetiere sehen die entlang am Ufer über Steine, Wurzeln oder Erde gelaufen sind, kurz stoppten um sich umzuschauen und weiter liefen. Einige bemerkten mich, waren jedoch nicht extrem scheu, so dass sie mir verwundert nachschauten bzw. zuschauten. Schön ist es auch den Bibern zuzusehen, wenn sie etwas zurück in ihren Bau brachten. Sie waren jedoch extrem scheu.
Ich fand die ersten Tage besonders schön, durch scheinbar unberührte Natur zu paddeln, dem Flusslauf zu folgen und die Stromschnellen zu passieren hatte fast etwas Magisches. Nur selten wurde ich durch Brücken, über die Autos und Züge fuhren, erinnert, dass da noch jemand anderes ist. Einmal konnte ich mich sogar fast unbemerkt einer Rotte Wildschweine nähern. Als sie mich jedoch bemerkten ergriffen sie die Flucht.
Zu jeder Tagesetappe kamen unzählige Wehre die ich umgehen musste. Nicht selten über fünf Mal an einem Tag. Manchmal folgte nach 500 Meter bereits das nächste. Einige Menschen, die ich unterwegs getroffen habe, erzählten mir immer wieder dasselbe. „Der Neckar ist verseucht von Wehren und Schleusen“. Wenn ich jetzt zurückschaue war dies der anstrengendste Teil der Tagesetappen. Wenn ich Glück hatte befand sich gleich nach dem Ausstieg vor dem Wehr eine Wiesenfläche auf der ich das Boot Richtung der Einstiegstelle Talwärts ziehen konnte. Selten hatte ich jedoch das Glück. Oft musste ich zwei Mal laufen. Erst den Packsack mit Paddel, dann zurück und das Boot mit Statie und Fototasche holen. Abends war ich fix und fertig, freute mich auf einen Zeltplatz, ein warmes Essen und meinen Schlafsack mit ein paar Seiten von Dan Kierans fantastischem Buch „slow travel“. Wie bei all den Reisen zuvor hatte ich auch dieses Mal das Empfinden, dass die Zeit nur sehr langsam vergeht. Der Grund dafür ist, dass ich immer etwas Neues erlebe und bewusster wahrnehme was um ich herum und bei mir selbst geschieht.
Nachdem ich Rottenburg passierte und der Neckar immer breiter wurde und dessen Fließ- geschwindigkeit deutlich abgenommen hatte plackten mich die ersten Zweifel. Ich kam fast nicht mehr voran und es fühlte sich an, als ob ich auf der Stelle festklebe egal wie oft ich mich mit den Paddelblättern versuchte vorwärts zu drücken. Mein Gefühl sagt mir jedoch: weiter!
Als ich nach 8 Tagen kurz nach Nürtingen nochmal mehrere schnelle Stromschnellen passierte, die mich mit deren Fahrspaß begeisterten sollten, keine weiteren mehr folgten. Was folgte war kurz vor Plochingen ein Schwan, der mich buchstäblich jagdte. Im Mai ist die Zeit in der die Schwäne ihren Nachwuchs bekommen und den wissen sie bereits jetzt schon gut zu verteidigen. Insgesamt musste ich dreimal die Flucht ergreifen, schon fast um mein Leben bzw. das des Packrafts zu paddeln und sofort an Land gehen und das Ufer verlassen. Nachdem ich das Boot mit Ausrüstung kräftezehrend über eine Wiese gezogen und getragen hatte, konnte ich nach gut 500 Meter wieder einsteigen. Der Wind frischte auf und ich kämpfte gegen die höchsten Wellen an die ich auf dem Neckar hatte. Wenn ich nicht paddelte drückte mich der Wind wieder Fluss aufwärts. Dasselbe kenne ich vom Tourenrad. Auf Tasmanien hatte ich einmal so starken Gegenwind, dass ich bergab noch treten musste um überhaupt vorwärts zu kommen. Diese Zeit ist die frustrierteste für mich als Reisender und ich bin fast immer am fluchen.
Ich kämpfte mich Meter für Meter voran als vor mir das erste Güterschiff auftauchte. Ich war im Hafen von Plochingen angekommen und der Wind pfiff mir nur so um die Ohren. Es gab kein natürliches Ufer mehr, Stahl-U-Profile reihten sich Stück an Stück zusammengesteckt und geschweißt aneinander bis sie in der Ferne immer kleiner wurden und nicht mehr als solche erkennbar waren. Links und rechts Große stählerne Krähen die Lasten bis 10 Tonnen tragen konnten. Dahinter große Lagerhallen oder Berge von Schrott. Ich wollte nicht mehr und suchte verzweifelt nach einer Zeltmöglichkeit. Nachdem ich den etwa 2 Kilometer langen Hafen kämpfend hinter mich hatte sah ich rechts eine Wiese und einige kleinere Boote mit Masten die auf Anhängern oberhalb des Wasser standen. Ich paddelte direkt auf den langen schönen Anlegesteg zu. Ich war beim Yachtclub Plochingen angelangt. Ich sah Leute herumlaufen und fragte ob es mir erlaubt sei hier mein Zelt für eine Nacht aufzuschlagen. Vom Vorstand bekam ich die Zustimmung. Was folgt war ein geselliger Abend mit einer guten Stimmung, tollen Geschichten und vielen Tipps für meine Weiterreise auf dem Neckar. Knapp 180 Kilometer lagen noch vor mir bis Heidelberg, 200 Kilometer bis zur Mündung in den Rhehn. Abends schätzte ich es eine warme Dusche zu haben und die Kleider zu waschen.
Auf meiner weiteren Reise hatte ich 27 Schleusen zu passieren. Zu Beginn benutze ich eine Schubkarre um mein Boot zur Talseite der Schleuse zu bringen um es dort wieder ins Wasser zu lassen. Ich war froh, dass die Schubkarren meist anzutreffen waren die ich zu meist neben einem Schopf mit Winterstreusalz vorfand. Die ersten sechs Schleusen passierte ich auf diese Weise. Nun sollte die Schleuse selbst folgen. Ein Mann winkte mich herbei. Ich paddelte auf die offenen Schleusentüren hinzu. Ich paddelte zur Mitte der etwas über hundert Meter langen Schleusenkammer und hielt mich an einer der gelb markierten Notfallleiter am Rande der Kammer fest. Die Tore hinter mir wurden geschlossen und das Wasser aus der Kammer gelassen. Stück für Stück griff ich immer zwei Sprossen runter. So wurden Höhenunterschiede von bis zu 8 Metern ausgeglichen. Insgesamt durfte ich ca. zehn Schleusen benutzen. Ich bekam sogar eine Liste mit den jeweiligen Telefonnummern der Schleusen um mich dort zu melden. Ich denke immer wieder an ein Schleusenwärter der sagte „So ein Unternehmen muss unterstüttz werden“ Meine Frage, ob es schon andere gegeben hätte, die den Neckar wie ich befahren, wurde verneint. Nur ab und zu kommen Kanuwanderer vorbei die in Stuttgart starten würden.
Später hatte ich auch noch das Vergnügen mein Boot mit dem Bootswagen übersetzen zu dürfen. Eine extra Schienenverbindung von Berg- zu Talseite war vorhanden auf denen man den Alu- aber auch manchmal aus Stahl gefertigten Wagen per Hand zog.
Wie die ganzen drei Wochen lang so zeltete ich auch bei meiner Ankunft in Heidelberg. Dort kam ich unter beim Wassersportverein. Insgesamt sind dort drei Vereine vertreten, die Rudergesellschaft, die Universität und eben der Wassersportverein. Auch dort konnte ich die Waschräume benützen und sogar die Küche für meine Abendessen. Als ich mich am nächsten Morgen gegen sechs Uhr durch die Straßen der Altstadt lief waren diese wie ausgestorben. Fast kein Mensch war zu sehen. Erstaunt war ich dass alle Geschäfte erst ab zehn Uhr öffneten. Mir wurde gesagt, dass das früher noch nicht so war. Ich lief durch die Gassen, hoch zum Schloss und war begeistert von der Stadt die ich schon immer mal anschauen wollte. Als Kind wären wir hier fast einmal hergezogen.
Es war schon etwas später als ich mich aufmachte um weiter nach Mannheim zu paddeln. In den letzten Tagen war ich immer mehr angetan von der Vorstellung weiter zu paddeln zum Rhein. Die Zweifel der vergangenen Tage, die mich noch einige Zeit nach Stuttgart begleiteten haben sich in Begeisterung und Vorfreude gewandelt. Und selbst bei meiner Ankunft in Mannheim wollte ich weiter, ich hatte Lust zu paddeln, auf dem Wasser unterwegs zu sein und was ich wollte war auf keinem Fall die Luft aus dem Boot zu lassen.
Es war unglaublich, denn als erstes war ich schneller unterwegs und musste nicht mehr ganz so viel paddeln. Im Schnitt legte ich auf dem Neckar etwa 20 Kilometer am Tag zurück. Auf dem Rhein schaffte ich es Distanzen von 43 Kilometer an einem Tag zurückzulegen. Der Frachtschiffverkehr nahm deutlich zu, nicht selten fuhren zwei bis drei Schiffe direkt hintereinander. Am Ufer gab es richtige Sandstrände zehn Meter und breiter, sogar kleine Buchten umgeben mit Steine und dichtem Wald mit großen Pappelbäumen. Ich fand wunderschöne Zeltplätze.
In Mainz mündet der Main in den Rhein. Den Mainradweg bin ich bei der Erlebnistour 2012 bis zur „Weiß Main Quell“ gefolgt. Damals habe ich diese Reise nicht hier begonnen, sondern in Kelsterbach.
Im selben Jahr kam ich aber dennoch in die Nähe der Mündung. Damals war ich bei einem Vortrag im Schloss. Nach dem Vortag übernachtete ich mitten in der Stadt in meinem umgebauten Auto und fuhr am nächsten Morgen zum Main, jedoch nicht zur Mündung.
Jetzt fuhr ich mitten auf bzw. in der Mündung. Auf dem großen Wall auf dem sich auch das große blaue Schild mit der weißen Aufschrift „ Main-Donau-Wasserstraße“ befindet, standen und saßen einige Radfahrer neben deren Räder. Ein Angler versuchte sein Glück mit einem Blinker.
Das Wasser des Rheins sieht an sonnigen Tagen sehr klar aus, jedoch ändert sich dies wenn man auf einen Zusammenfluss kommt. Das Wasser wird braun.
Der landschaftliche schönste Teil auf dem Rhein war der Abschnitt zwischen Bingen und dem Endpunkt dieser Reise in Koblenz. In Rheinland Pfalz verengt sich der Rhein extrem und das Wasser wird an einigen Stellen durch einen natürlichen Felskanal gedrückt. Die bis zu 200 Meter hohen Berge steigen steil kurz nach dem Ufer an, Weinreben ziehen sich Kilometer weit über die Hänge. Die Ortschaften die am Ufer vorbeiziehen sind extrem schön. Altes Fachwerk, mittelalterliche Gebäude und Stadtmauern mit Wachtürmen sind zu sehen. Oben auf den Bergen oberhalb der Städte thronen majestätisch prachtvolle Schlösser und Burgen. Die Passagiere der Reiseschiffe befinden sich jetzt alle auf dem oberen Deck und fotografieren. Wer mich mit samt dem Gepäck in meinem kleinen roten Boot entdeckt winkt und ruft. Auch von mir werden Fotos gemacht.
Ich fuhr bereits schon an hunderten Bojen vorbei. Nur noch zwei Tagesetappen trennten mich von Koblenz. Ich war gerade dabei Fotos mit der Kompaktkamera zu machen als ich plötzlich bemerkte, wie ich auf eine Boje zutrieb. Ich verstaute die Kamera und verschloss die Tasche. Ich paddelte auf die linke Seite, um an der Boje vorbeizukommen. Jedoch ohne Erfolg - die Strömung lies mich nicht nach links kommen. Ich versuchte es rechts. Auch dies war mir nicht möglich. Ich versuchte es noch weitere Male mit noch mehr Kraft und noch schnellerenn Paddelstichen ins Wasser. Keine Chance - ich trieb direkt auf die Boje zu, wurde gedreht und das Boot umgerissen. Ich war gekentert. Meine ersten Gedanken waren voll Panik um meine Sachen und dass alles fortschwimmt. Nach Sekunden war ich wieder Herr über mein Handeln, sammelte Stück für Stück meine Sachen ein. Zuvor im Boot hatte ich die Schuhe ausgezogen. Jetzt begann ich erst nach dem linken Schuh zu suchen, ich fand ihn, hielt ihn fest und tastete nach dem rechten. Jetzt nach dem Paddeln das etwas abseits im Wasser mit dem Strom trieb. Jetzt hielt ich mich am Boot fest und schwamm zum Ufer. Dort angekommen war ich erschöpft und begann zu realisieren was geschehen war. Bei zurückschauen zu der Boje stellte ich fest, dass es ca. 50 bis 60 Meter bis dahin waren. Die wasserdichte Kamera lief die ganze Zeit während des Geschehens.
Ich hatte eine gute Zeit in Koblenz. Bei der Ankunft durfte ich beim Fährmann, der auf der Mosel kurz nach dem Deutschen Eck Passagiere von einer Seite zur anderen befördere, mein Boot zurücklassen.
Ich lief durch die Gassen und weiter in das Industriegebiet um bei einem Fahrradhersteller vorbei zu schauen. Das Mountainbike, das ich seit einigen Jahren fahre, wurde hier zusammengebaut.
Am Nachmittag lief ich zurück zum Deutschen Ecke. Dort traf ich auf einen Rentner der mir einen Teil der Geschichte der Stadt erzählte. Er berichtet von der frühen Besiedelung der Kelten der Burganlage, von Wilhelm dem Großen und seinem Denkmal, deren Zerstörung und des Denkmals der Wiedervereinigung.
Nach einem Blick vom Denkmal kehrte ich zurück zu meinem Boot, lies den geschichtlichen Ort und die Seilbahn mit den Gondeln hinter mir und paddelte die letzten Kilometer bis zum nördlichsten Ende der Gemüseinsel Niederwerth. Zum letzten Mal stellte ich das Zelt am Ufer des Rheins auf.
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