Es war nicht mehr weit bis nach Kantabrien. Vielleicht knappe 15 Kilometer. Ich frühstückte gut in einem Café zwei Häuser weiter von der Pension in der ich letzte Nacht müde und erschöpft von der langen Etappe eingeschlagen war. Nun war ich wieder fit und lief zu Beginn auf asphaltierten Straßen. Später vorbei ein vereinzelten Häuser und Schrebergärten. Anschließend folgte ein Abschnitt entlang der Küste. Erst auf schönen Wanderwegen und später auf Asphalt und der Nationalstraße.
Schöner Wegabschnitt entlang der Küste.
Ich lief entlang der Nationalstraße neben der Leitplanke auf einem schmalen Pfad, als die Straße direkt am Ozean einen linksbogen machte und eine breite Bucht vor mir lag. Ich lief noch ein Stück weiter und machte bei einem Rastplatz etwa 2 Kilometer nach dem Linksbogen Rast. Dabei vielen mir die extrem großen Vögel am Himmel auf. Die Flügelspannweite sah von hier unten riesig aus. Ich war mir sicher, dass es Seeadler sind. In Schottland hatte ich diese schon aus nächster Nähe gesehen. Irgendwie ergab mir das aber alles keinen Sinn, denn es waren nicht nur ein paar, sondern etwa knapp 50 Stück die dort oben am Himmel ihre Runden zogen ohne mit den Flügel zu schlagen.
Ich stoppte an einem Rastplatz zum Essen. Als ich damit fertig war, tauschte ich etwas Musik auf dem MP3 Player aus. Bei der Gelegenheit schaute ich mir noch einige Fotos an, die ich die letzten Tage gemacht hatte. Nebenbei bemerkte ich einen Mann, der etwa 20 Meter von mir entfernt vor seinem Geländewagen stand. Er war gekleidet wie ein Jäger oder ein Förster. Dann sah ich das große Stativ neben ihm. Ich lief auf ihn zu und sprach ihn auf die Vögel an. Er sprach etwas Englisch, und erklärte mir, dass es sich bei den Vögeln um braune Geier handelt, die hier in brüteten und sich jetzt um die Jungen kümmerten. Vor etwa einem Monat sind die jungen geschlüpft, die jedoch erst im August fliegen werden. So lange sind die Eltern mit der Futter Besorgung beschäftigt. Die Geier kamen aus Afrika hierher. In wenigen Tagen werden Falken erwartet. Er war schon ganz gespannt und zeigte mir die Bilder der Vögel auf seinem Smartphon. Es war der Tag, an dem in ganz Europa gleichzeitig die Vogelbeobachter Ausschau hielten. Er kannte sich wirklich aus, er berichtete, dass er von all den Orten an denen die Vögel nisteten Bescheid wusste. Ich war platt als er mit dem Fernglas nur wenige Sekunden Ausschau hielte und dann gezielt das Spektiv auf das Stativ setzte. Die Vergrößerung war um das 50-fache und als ich selbst schauen durfte sah ich die riesigen Vögel gestochen scharf. Er hatte das Spektiv auf einen Felsvorsprung gerichtet. Dort saß ein Jungvogel der mir schon größer als ein Rabe erschien. Einige Meter weiter rupfte ein ausgewachsener an einem Vogelkadaver herum. Das ist auch der Grund warum sich die Großvögel genau diesen Platz aussuchten. Die Zugvögel kommen aus Afrika zurück um den Sommer in Europa zu verbringen. Sie brüten genau in ihrer Flugschneise.
Der Anblick auf eines der Felsmassive in denen die Vögel nisten. Im Vordergrund die Bucht.
Die Vögel am Himmel in einer beachtlichen Höhe. Ich habe sie durch die Vergrößerung zwar nahe gesehen, konnte jedoch keine Nahaufnahme machen. Hier ein Link (Wikipedia) wie die Vögel aus der Nähe aussehen.
Leider habe ich vor lauter Aufregung vergessen nach dem Namen des Vogelbeobachters zu fragen. Ein flüchtiges Foto durfte ich dennoch von ihm machen bevor er aufgebrochen zur Arbeit ist.
Von hier aus haben wir die Geier beobachtet. Auf dem Felsvorsprung der orange markiert ist entdeckten er die beiden Vögel.
Eigentlich war er ja spät dran, denn er musste weiter nach Bilbao. Dort arbeitet er im Hafen. Ich lief weiter auf der Nationalstraße die stetige anstieg. Dieser Weg den ich lief war eine Variante. Der offizielle Camino war zwar schöner, aber ich wollte an diesem Tag noch bis Laredo kommen und somit kam mir die kürzer aber eintönigere Variante recht. Nachdem ich am höchsten Punkt angekommen war sah ich vor mir ein Tal in das ich absteigen würde.
Weiter, immer weiter
Der Blick in das Tal.
Bei genauerem Betrachten sah ich Kletterer in den Felswänden.
Das letzte Wegstück für diesen Tag führte mich am Ende des Tals nochmal bergauf. Zu Beginn sanft und dann brutal steil. Auch hier zeugte die Landschaft von vergangenen Buschbränden. Die Landschaft war aber dennoch unglaublich schön.
Schöne Ausblicke auf die sehr stark zerklüften Küstenabschnitte. Ganz im Hintergrund das Felsmassive indem die Geier nisten.
Auf schmalen Pfaden, vorbei an Sträucher und Büschen führte der Weg eine Weile auf einer Anhöhe, bis Laredo vor mir mit dem etwa 3 Kilometer langen Sandstrand auftauchte.
Blicke auf Laredo.
In Laredo übernachtet ich in der Casa de la Trinidad die sich im Kirchengebäudekomplex befand. Bei der Ankunft wurde ich von eine netten Nonne willkommen geheisen und ein Foto wurde für deren Facebook Seite gemacht. Ich hatte eine erstaunlich schöne Küche die ich für das Zubereiten eines leckeren warmen Abendessens benutzte. Am Morgen stand ein kleines leckeres Frühstück mit Kaffee, Milch und Kuchen bereit.
Der Empfangsbereich der Casa la Trinidad.
Am nächsten Morgen holte ich mir die Info ein ob die kleine Fähre von Laredo nach Santona übersetzen würde. Die beiden Orte sind durch die schmale Öffnung des Bahia de Santana voneinander getrennt. Ein riesiges Flussdelta das aus einer großen Buch besteht. Die Fähre fuhr in zum Jahresbeginn nicht. Spontan entschied ich mich einen Bus zu nehmen. Ich harterte nicht lange, denn in Anbetracht der weitern etwa 20 Kilometer langen Etappe war das okay.
Am Busterminal angekommen erfuhr ich, dass ich den soeben abgefahrenen Bus nur um wenige Minuten verpasste. Ich musste nochmal knapp zwei Stunden warten. Die Zeit bis um 11 Uhr verbrachte ich in der Stadt und am Strand.
Um kurz vor 12 Uhr kam ich endlich in Santona an. Ich lief bis zum Strand wo ich mit der kleinen Fähre angekommen wäre. Von der Casa de la Trinidad und dem Übersetzen wären es gerade einmal 3 Kilometer bis hier gewesen.
Blick auf die schmale Öffnung. Im Hintergrund schneebedeckten Berge.
Als ich von hier ins Inland sah war ich etwas überrascht dort Berge zu sehen die schneebedeckte waren. Es war schon mächtig spät und die überlegte Route für diesen Tag konnte ich unmöglich noch schaffen. Dennoch entschied ich mich für eine weitere Variante die sehr schön sein sollte und entlang der Küste führte. Außerdem waren es zusätzliche Kilometer die es Wert waren zu gehen wie sich später herausstellte.
Ausblick bei der Variante.
In einiger Höhe verlief der Weg kurz landeinwärts. Rechts von mir war ein etwa über ein Kilometer breiter Sandstrand in der Ferne. Dann der Atlantik. Der Blick gerade aus reichte weit ins Landesinnere, bis sich weit hinten die Berge erhoben. Gleich zu Beginn, nicht weit vom Strand entfernt, direkt neben einem Friedhof konnte ich in eine sehr große Gefängnis Anlage blicken. Mehrere Mauern, Zäune und Wachtürme waren auf der großen Anlage zu sehen. Das Hauptgebäude wirkte im Vergleich zur kompletten Anlage winzig.
Blick über das Gefängnis und ins Landesinnere. Rechts daneben der Strand.
Der Camino führte mich hinab zum Sandstrand. Zu Beginn begegnete mir ein freilaufender Hund der schwanzwedelnd und mit der Schnauze am Boden an mir vorbeilief. Ob er mich wohl bemerkte?
Kurz darauf traf ich auf sein Frauchen und Herrchen wie sich bei dem Gespräch herausstellte. Die beiden waren selbst Pilger und sind den französischen Weg bereits gegangen. In diesem Jahr wollten sie mit ihrer ersten Etappe auf dem „del Nortel“ beginnen. Als er mich fragte wo ich denn diese Nacht bleiben wollte sagte ich Noja. Es war ja bereits schon mächtig spät und ein weiteres Ziel kam nicht mehr in Frage. Er meinte ich sollte unbedingt bis Güemes laufen. Mir war schon bewusst das dies das Highlight auf dem „del Norte“ unter den Herbergen ist. Grund hierfür ist die Entstehungsgeschichte. Die Herberge kann um die 100 Pilger aufnehmen. Kurz spielte ich nochmal mit dem Gedanken, der ich aber wieder verworfen hatte nachdem ich den etwas über 1 Kilometer langen Strand passierte. Es war beim besten Willen nicht mehr bei Tageslicht zu schaffen. Beim Gedanke wieder mit der Stirnlampe zu pilgern verging mir die Laune.
Nachdem ich einen kurzen Anstieg hinter mir hatte, sah ich den Strand von Noja vor mir. Oben angekommen bemerkte ich, dass ich einen meiner Gummiendkappen der Stöcke verloren hatte. Er war blöder Weise im lehmhaltigen Boden stecken geblieben. Ich hatte noch Ersatz bei mir.
Der Blick über den etwa 2.5 Kilometer langen Strand von Noja.
Ich verweilte dort einige Zeit bevor ich in die Stadt lief um bei einer Pilgerpension zu klingeln. Es öffnete niemand. Nebenan war ein Café in das ich ging. Einige Zeit später versuchte ich mein Glück erneut. Dabei kam mir ein Mann von der Terrasse der Pension entgegen und meinte das geschlossen sei. Im Sommer ist hier die Hölle los, dann ist Noja für viele Spanier „the Place to be“.
Ohne groß darüber nachzudenken kam mir die Idee die Nacht am Strand zu zelten. Ich lief ein gutes Stück zurück und fand eine Stelle neben ein paar kleinen Dünen bei denen ich das Zelt aufschlag. Mit dem Kocher bereitete ich mir noch eine warme Mahlzeit zu.
Der Zeltplatz am Strand von Noja.
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