Glasgow schien wie ausgestorben zu sein. Nur vereinzelt traf ich auf Menschen die vermutlich zur Arbeit unterwegs waren. Als ich vom Busbahnhof Buchnan in die Stadt unterwegs war, war ich etwas überrascht über die Gebäude. Ich hatte etwas Größeres erwartet. Vielleicht auch ein paar Betonbauten, wie ich sie am Vorabend in London sah. Aber genau das gab Glasgow den Charme. Am Bahnhof löste ich ein Ticket nach Milngavie, dem Startpunkt des Western Highland Way. Mein erster Langstreckenwanderweg in Schotland. Der Zug war nicht besonders voll und umso näher ich meiner Destination kam um so leerer wurde er. Zu letzt war ich der einzige der den Zug verlies.
Ein etwas mulmiges Gefühl, gemischt mit Vorfreude stieg in mir auf als ich den Bahnhof hinter mir zurück gelassen habe. Ich war unterwegs in der Fusgängerzone und lief genau auf die Säule mit der Distel darauf zu. Alle offiziellen Langstreckenwanderwege sind mit der Distel in verschiedenen Farben markiert. Der Western Higland Way ist schwarz markiert. Eine Frau sprach mich an ob sie ein Foto von mir machen sollte. Zusammen mit einem Mann sind die beiden als freiwillige Helfer für die Wanderer tätig die gerne Auskunft geben und diese auch Mal gerne fotografieren. Gegenüber im Visitorcenter habe ich mich noch ins Gästebuch eingetragen. My long walk from Milngavie to the northern tip of Skye. All best to everyone” schrieb ich dort hinein. Dabei viel mir auf wie viele deutsche den Wanderweg laufen.
Insgesamt hat der WHW (wie er oft abgekürzt wird) eine Länge von 154 Kilometer. Viele Wanderer lassen ihr Gepäck bis zur nächsten Unterkunft bringen, wodurch sie deutlich leichter unterwegs sind und größere Etappen zurücklegen. Ich habe viele getroffen, die den Weg in 5 Tage zurücklegen. Für mich wäre das jedoch nichts den es kommt eine gewisse Pflicht auf sein nächstes Etappenziel zu erreichen. Mir viele des Öfteren auf, wie schnell diese Leute gelaufen sind, meist in Gruppen und in Diskussionen vertieft. Oft war nicht genug Zeit um die Landschaft auf sich wirken zu lassen und zum anzuhalten.
Der erste Teil führte durch die Lowlands. Am ersten Tag erreichte ich mit zwei Schotten mit denen ich unterwegs war Loch Lomond, den größten Loch (See) von Schottland. Insgesamt lief ich zwei Tage entlang am östlichen Ufer mit Blick in Richtung Highlands. Die ersten Munros, Berge über 3000 Fuß ragten empor. Nachdem der erste Tag noch schön war, zwar bewölkt aber für schottische Verhältnisse wunderbar, lag am zweiten Tag der Nebel tief über dem See. Berge waren keine mehr zu sehen.
Gary und Martin waren zum ersten Mal auf einem Langstreckenwanderweg unterwegs. Gary übernachtete in einer Hängematte, die er abends zwischen zwei Bäume spannte. Ich half im dabei, und war ganz begeistert von der überdachten Schlafmöglichkeit. Über die Hängematte selbst war ein großes Tarp (ein Art Außenzelt in Form eines Dachs) gespannt. Der Nachteil dabei war das eine Befestigungsmöglichkeit voraus gesetzt sein muss, was in Schottland nicht immer einfach zu finden ist, da die meisten Berge kahl sind. Ein Fliegennetz für die Midges (eine Art Pferdefliegen) sollte man auch dabei haben. Martin hatte ein Zelt, das mehr als die Hälfte seines 70 Liter Rucksacks benötigte um es zu verstauen. Er selbst war ein blutiger Anfänger und brauchte ebenfalls Hilfe beim Aufstellen seines Zeltes.
Am zweiten Tag klagte Martin nach wenigen Kilometer über schmerzende Füße. Wir stoppten. Als er seine Schuhe und Socken ausgezogen hatte kamen drei heftige Blasen zum Vorschein, dessen Haut sich bereits gelöst hatte und selbst beim Anblick schon Schmerzen verursachte. Ich gab im Pflaster zum abkleben. Nach dem Abstieg seitlich hinab vom Conic Hill erreichten wir Balmaha. Der Name klingt so schön und mir gefiel der kleine Ort, der im Grunde aus nichts anderem besteht, als dem Visitor Center des Loch Lomond National Parks einem Postoffice, in dem auch ein kleiner Laden untergebracht war und ein Paar Häuser und natürlich dem Pub.
Im Laden deckte ich mich mit Lebensmittel ein. Bananen, Käse, Erdnüsse, Porridge und Nudeln. Schokoriegel für zwischendurch.
Die Wasserflaschen wurden nebenan im Restaurant kostenlos von der Bedienung gefüllt. Martin klagte weiterhin über die Schmerzen und entschloss sich zu letzt hier seine Reise zu beenden. Er fuhr mit dem Bus der hier nur selten stoppte und weiter mit dem Zug zurück an die Ostküste. Gary und ich liefen weiter.
Die Etappen bis kurz vor Inverarnan verliefen in unmittelbarer nähe zum Ufer. Auf einem Abschnitt war besonders die Aufmerksamkeit und Konzentration gefragt. Ständig musste man auf die Schritte achten und kletterte über Felsen und Stufen hinauf und hinab. Gary stand dabei etwas unter Druck, den er musste am letzten Tag fast 30 Kilometer in dem unwegsamen Gelände zurücklegen. Was nicht einfach war, den hinzu kam noch der anhaltender Regen. Ständig informierte er sich bei den entgegenkommenden über den Weg und deren Zustand. Gary musste unbedingt um sechs Uhr in Crainlarich sein von wo aus sein Zug zurück nach Hause abfuhr. Er hatte noch 3 Stunden Zeit für eine Strecke von etwas mehr als 12 Kilometer. Gary lief jetzt immer weiter voraus. Ich erinnere mich noch an ein Gespräch das wir führten, bei dem es darum ging das ich nicht so schnell laufen musste wie er, da ich den Zug nicht erreichen musste und er keine Rücksicht auf mich nehmen musste. Ich sah Gary nicht wieder. Einige Tage später schrieb er mir eine Mail in der er mir mitteilte, dass er die Strecke in zwei Stunden zurücklegte. Ich weis nicht wie er das geschafft hatte, aber eines ist sicher er muss gerannt sein.
Ich lief an diesem Tag noch bis zu einer Anhöhe oberhalb von Crainlarich und stoppte in einem Wald. In dem dichten Wald schlug ich mein Zelt auf einer nicht ganz so stark aber dennoch aufgeweichten Stelle auf. Die Wälder sind besonders schön, und erinnern mich immer an Filmausschnitte von Herr der Ringe. Eigentlich fehlt nur noch ein Ork oder Hobbit der unterwegs nach Mordor ist. Der Boden ist bewachsen von Moos und Farn. Eine dichte Schicht Moos umgibt die dicht aneinander gereihten Bäume die sich farblich von dem Moos auf dem Boden absetzten. Das Moos in den Bäumen ist weiß bis grau und dass auf dem Boden in unterschiedlich hellen und dunklen Grüntöne. Durch den aufgeweichten sumpfigen Boden der wie ein Schwamm ist, können sich die Wurzel der Nadelbäume die nur dicht unter der Oberfläche wachsen nicht richtigen halt finden. Viele der Bäume knicken bei starkem Wind um, wachsen aber trotzdem weiter. In einem Winkel der nicht selten zwischen 45 und 90 Grad zur normalen senkrechten liegt.
In Crianlarich ist Halbzeit. Die ersten knappen 75 Kilometer habe ich zurückgelegt.
Langsam bin ich in meinen Rhythmus gekommen und fand die für mich passenden Schritte. Nur selten legte ich mehr als 20 Kilometer am Tag zurück. Die Wege waren deutlich unwegsamer als vor zwei Jahren auf dem Camino de Santiago oder Caminho Portugues.
In Tydrum habe ich mich bei Brody´s, dem Lebensmittelgeschäft im Ort noch mal eingedeckt. Bis zum nächsten Laden in Kinlochleven waren es immerhin 44 Kilometer. Mit etwa zwei Kilo mehr im Gepäck lief ich den Anstieg bis zu einem kleinen Pass hinauf. Der Weg fiel oberhalb der Bahnlinie nach die nach Fort William führt leicht bergab. Das Tal war breit, umgeben von einigen Munros. Die Gipfel waren zu sehen. Die dichten Wolken hingen knapp über den Bergen. Durch einen kleinen Durchgang unterquerte ich die Bahnlinie. Jetzt lief ichauf der anderen Seite weiter. Der Durchgang war nicht einmal einen Meter breit und beim gebückten Durchgehen streifte der Rucksack leicht an der Decke. Hobbits müssen hier am Werk gewesen sein. Die Bahnlinie schlängelte sich weiter entlang an einer Bergflanke die sich jetzt vom Weg abwendete. Es schein als ob sie so wenig Tiefenmeter wie nur möglich machen wollte. In der Ferne waren zwei Steinviadukte zu sehen. Der breite Wanderweg entfernte sich immer weiter von der Flanke in Richtung eines Flusses. Auf der anderen Seite grasten mehrer Highland Cows. Die schottischen Hochland Kühe haben langes Haar, das etwa 20 bis 25 cm misst und meist hell bis dunkelbraun ist. Was diese Kühe gefährlich aussehen läst sind die Hörner, ähnlich wie die eines Stieres. Die Hörner können beachtliche Längen erreichen sodass es einem mulmig werden kann wenn man gerade Wegs unerwartet auf so ein Tier stößt. Meist jedoch haben die Kühe mehr Angst als die Person gegenüber der sie steht.
Es war bereits spät als ich die letzten Höhenmeter hinauf auf einen Berg lief. Oben angekommen hatte ich einen wunderschönen Blick auf Loch Tulla und im Hintergrund erstreckte sich das Rannoch Moor. Der Wind fegte stark über die Kuppe, dennoch wollte ich mir diesen Nachtplatz nicht nehmen lassen. Bevor ich das Zeltgestänge am Außenzelt befestigte, spannte ich das Zelt und fixierte es mit Heringen. Ein Stück weiter fand ich eine Wasserquelle und kochte in der windgeschützten Apside. Der Himmel blieb weiterhin stark bewölkt. Leichter Regen prasselte auf das Außenzelt. In der Richtung aus der ich gekommen war sah der Himmel noch dunkler aus. Dort regnete es heftig.
Als ich am nächsten Morgen aus dem Zelt schaute war der Himmel noch immer bewölkt aber es regnete wenigstens nicht. Nach ein paar Aufnahmen packte ich zusammen und stieg hinab zum See und lief vorbei an der Forest Lodge. Der Weg stieg abermals leicht an. Ich war unterwegs auf der alten Straße die das Rannchor Moor auf der westlichen Seite passierte. Bis 1930 war diese Schotterpiste die Verbindung nach Fort William und weiter Richtung Norden. Gebaut wurde sie zu einer Zeit als es noch keine Autos gab und die Menschen mit Pferde und per Kutsche unterwegs waren. Das schöne am Rannoch Moor ist die weite Sicht, über riesigen Moor Flächen, Seen, und Berge im Hintergrund. Für eine kurze Zeit verzogen sich die Wolken und die Sonne kam hervor. Mir wurde richtig warm. Nur kurz nachdem ich Pause machte fing es wieder heftig an zu schütten. Ich zog Regenjacke und Regenhose an. Etwa 20 Minuten später am Eingang zu Glen Coe war bereits alles wieder vorbei und die Regenwolken haben sich verzogen. That´s Scotland!!!
Leider sah ich nicht viel von den Bergen, die am Eingang von Glen Coe normalerweise zu sehen sind. Die Wolken hingen einfach noch zu tief. Es regnete wieder stärker, auch noch als ich das Zelt unterhalb des höchsten Pass auf dem WHW aufschlug. Regenjacke und Regenhose zog ich aus und im Zelt selbst war es dann gleich angenehm, auch wenn es draußen in Strömen regnete und windete.
Auch am nächsten Morgen regnete es noch immer. Ich packte das Zelt nass ein und lief den Anstieg bis zum Pass. In Serpentinen schlängelte sich der Weg bergauf, der mittlerweile zu einem kleinen Bach angeschwollen ist. Ich war überrascht wie schnell ich oben angekommen war. Normalerweise lege ich die Anstiege am Abend zuvor zurück. Es ist angenehm nicht gleich zum Tagesbeginn einen Anstieg zu haben und sich erst auf der Ebene einzulaufen. Am Abend zuvor hatte ich jedoch genug und das wechselhafte Wetter und der Regen trugen zu der Entscheidung bei zu stoppen. Oben vom Pass konnte ich die letzten Berge sehen die ich zu überqueren hatte. Zuvor folgte aber der Abstieg nach Kinlochleven. 550 Tiefenmeter am Stück. Wie sollte es auch anders sein, es fing wieder an zu Regnen und diesmal für eine längere Zeit. Der Regen rannte an der Jacke und Hose herunter und auf die Schuhe. Sie blieben jedoch trocken. Das Wasser auf den Wegen rannte in Strömen. Ich versuchte möglichst auf Steinen zu laufen um nicht bei jedem Schritt im Wasser zu stehen. Die vielen kleinen Bäche die den Weg überquerten weichten den Untergrund auf.
Als ich fast unten im Tal ankam, kamen mir zwei Mountainbiker entgegen. Einer von den beiden kurbelte das gleiche Rad das ich habe den Berg hinauf.
Ein Stück weiter sah ich kleine leuchtend orange Stoffstücke die an einem kurzen dünnen Bambusstock gebunden waren. Daneben ein schmaler Track, der im Gebüsch verschwand. Für fünf Tage fand von hier bis Fort William der „Motorbike Trail Worldchampionship“ statt. Amüsant fand ich den Satz der auf Schildern zu lesen war. Wir hoffen dass wir sie bei ihrem WHW nicht zu sehr behindern. Jedem Motorbiker dem ich begegnet bin hielt an und lies mich passieren auch wenn ich ihm deutlich machte das er weiter fahren sollte.
Bei Dauerregen kam ich in der Factory an. Bis zum Jahr 2000 war hier die große Aluminiumfabrik in Betrieb. Ein Teil der Anlage wurde zu einer Kletterhalle (The Factory) mit Cafe und Bar umgebaut. Ich fand mich in der Bar ein und war froh für eine kurze Zeit ein Dach über dem Kopf zu haben. Ich bestellte Chips mit Curry Soße und dachte ironischer Weise daran wie ungemütlich es doch sein muss da draußen jetzt unterwegs zu sein. In dem Gebäude befindet sich auch die größte künstliche Eiskletterwand der Welt. Etwa stündlich fanden Einweißungen statt. Anschließend wurde mit Axt und Steigeisen am Seil gesichert geklettert. Den Strom für das wohl sehr teure Unternehmen liefern die Vier großen Pipelines die vom Berg oberhalb mit einem Reservoir verbunden sind. Ein Überbleibsel der Aluminiumfabrik. Mit finanziert wird das ganze außerdem von einem Sponsor. Bei einem Capuccino und Caramel Slice Cake verfolgte ich das Geschehen im Eisbunker.
Bei meiner letzten Etappe hatte ich Glück, ich hatte kein Regen, zwar war der Himmel bewölkt jedoch konnte ich die ganze Zeit die Berge sehen den die Wolken zogen weit über ihnen vorbei.
Im Mai ist die Zeit in der die Scharfe ihre Jungen bekommen. Scharfe sind hier in Schottland überall zu sehen, selbst in den entferntesten Ecken. Fast jedes Scharf hat ein Lamm um das es sich kümmert. Zu dieser Zeit sind die Scharfe besonders schreckhaft und vorsichtig.
Ich war oben angekommen auf dem letzten Berg. Die letzten Höhenmeter hatte ich geschafft. Ich stand auf den Mauern einer Ruine, die heutzutage nur noch als Graswall zu erkennen ist. Hier lebten vor 4000 Jahre bereits die ersten Menschen. Unterhalb erstreckte sich das Glen Nevis. Vor mir der höchste Berg Schottlands mit über 1300 Meter. Ben Nevis. Auf dem Gipfel der gut zu erkennen war lag noch Schnee. Bei genauem betrachten erkannte ich auf den Schneefeldern kleine schwarze Punkte. Menschen die auf- und abstiegen. Ich blieb eine ganze Weile hier oben, genoss die Aussicht und filmte eine Weile. Im Westen konnte ich die ersten Häuser von Fort William ausmachen.
Der Abstieg erfolgte durch dichten Wald auf einer breiten Forststraße und einer kurzfristigen angelegten Umleitung, da Holzfällerarbeiten durchgeführt wurden. Ich war erstaunt, über mehrere hundert Meter wurde ein Art Lastenzug provisorisch montiert, mit dem immer zwei Bäume gut 200 Tiefenmeter bis zu einer Forststraße in der Luft gezogen wurden. Das Donnern wenn die Bäume auf Felsen knallten hallte durch den ganzen Wald.
Die letzten Kilometer bis zum Beginn der High Street legte ich auf Teerstraßen zurück.
Der Weg endete an einer Bank am Ende der Straße auf der ein Mann mit einem Wanderstrock saß. I made it!
Ein Mann den ich angesprochen habe da ich auf der Suche nach einer Straße war bot mir eine Mitfahrgelegenheit an. Beim Aussteigen vor dem Fort William Backpackers kramte er in der Konsole neben dem Lenkrad herum, wünschte mir dabei eine gute Zeit und drückte mir zum Abschied eine kleine Flasche Whisky in die Hand. Thank´s Mate.
Das Backpackers war leider ausgebucht und kein Bett war für die nächsten Tage frei.
Ich fand einen freien Platz in der Bank Street Lodge in einem Mehrbettzimmer.
Ich blieb drei Nächte. Ich brauchte etwas Zeit um mich auf die nächsten Etappen vorzubereiten, Karten zu kaufen und Routen im Detail auszuarbeiten.
Ich traf auf jede Menge Menschen und täglich wechselte das Publikum im Hostel. Toll war auch eine Neuseeländerin (KIWI) zu treffen die auch schon in der Ruahini Range beim Sunrise hut war, genau wie ich damals anfangs 2010. Mal waren es aber auch Wanderer die ich traf, mal Studenten die auf Studienfahrt waren und auch Menschen die unterwegs waren nach Hause und hier Übernachteten da es normal ist wenn man zwei Tage unterwegs ist um dort anzukommen…
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