In den letzten Wochen verlor ich jegliches Zeitgefühl und so war mir auch nicht bewusst dass ich nur ein Tag vor Karfreitag in Lissabon eintraf. Florentina, die im Hostel zuständig war klärte mich darüber auf und so wunderte ich mich nicht dass alles ausgebucht war. Zum Glück buchte auch ich einige Wochen zuvor. Etliche verbrachten das verlängerte Wochenende hier in Lissabon. So auch Branden, der in Madrid für einige Monate Englisch unterrichtet bevor er wieder am Ende des Jahres nach Kalifornien zurückkehren wird. Die beiden Spanierinnen Martha und Lara verbrachten auch ihre freien Tage hier. Gemeinsam unternahmen wir so manches in den folgenden Tagen während ich auf mein Fahrrad für die Weiterreise wartete. Am ersten Tag schauten wir uns das Castelo de Jorge hoch über der Stadt an. Von hier aus bot sich ein Blick zu allen Stadtteile Lissabon. Im Osten von der längsten Brücke Europas bis zur 25. April Brücke. Im Norden flogen die Flugzeuge nur wenige Meter über den letzten Häusern hinweg, bevor sie landeten. Direkt vor uns lag das Zentrum mit dem Triumphbogen neben dem Fluss Tejo. Dem großen Platz Rossi mit den gepflasterten Wellen, der Aufzug der die Menschen hinauf nach Chiado beförderte und das schier endlose Dächer Meer. Lissabon ist aber nicht auf einer ebenen Fläche gebaut. Vom Ufer des Tejo führten alle Straßen bergauf. Entweder leicht ansteigend wie die Avenida Liberdade oder die Steileren Stücke wie hinauf nach Chiado oder Bairro Alto. Die einfachste Variante ist mit der Tram die sich selbst im Duo die Berge hinaufzog. Lissabon ist die Stadt der Fado Musik. Klassische Musik mit einer Art Gitarre, entweder nur Instrumental oder auch mit Gesang. Im Stadtteil Alfama wurde die Musik erfunden so heißt es. Überall im Keller tummelten sich in den schmalen Gassen Restaurants, aus denen die Musik zu hören war.Zur späten Stunde lief ich mit Brandon mit einem Glass Sangria durch die Gassen von Bairro Alto. In den zahllosen Bars kauften sich die Leute ihre Getränke und liefen durch die Gassen und Straßen. Ostern war nun vorbei und es hieß Abschied nehmen. Nicht jedoch für mich. Ich verlängerte erst mal meinen Aufenthalt für zwei weitere Tage. Das Rad war noch immer nicht da. Am Montag, kurz nachdem ich das Hostel wechselte bestätigt die Aussage der Post mein schlechtes Gefühl das ich die Tage zuvor spürte. Das Rad wurde fehlgesendet und landete in Madrid. „Bis zu zwei Wochen Lieferzeit“ wurde jetzt angegeben. Das blöde war nur das ich nichts anderes tun konnte als warten und mit Florentina zu reden dass ich nochmals sieben Tage bleiben wollte. Ich kehrte also zurück ins Feel Good Hostel. Die zwei Tage zuvor verbrachte ich im Stay cool das vom selben Betreiber geleitet wurde. Die folgenden Tage hatte ich genügend Zeit mir die Stadt anzuschauen und ebenfalls durfte ich nicht zu viel Geld ausgeben. Sparen stand an der Tagesordnung. Es gab jedoch Gott sei Dank jede Menge kostenlose Sehenswürdigkeiten. Ich schaute mir mit einer Galeristin ein Kunstmuseum an. Verbrachte die Zeit in den grünen und erholsamen Parks der Stadt (-wenn ich genug vom Concret und Mamor Jungle hatte-). Schaute mir alte Gebäude an, führ mit der Metro nach Oriente um mir das Gelände der EXPO 98 anzuschauen oder fuhr mit dem Bus nach Belem (nicht nur um die Pastelerie zu essen!!!). Außerdem fand ich einige Buchläden in denen ich fündig wurde. Im Stadtteil Chiado gegenüber der „ A Brasileria“ ist der Buchladen Bertrand. Mit einem Eintrag im Guinnessbuch hält er den Rekord für die längste Betriebsnahme seit 1732. Sein inneres war nicht wirklich spektakulär eher wie ein gewöhnlich alter Bauchladen eben. Auf jeden Fall war er nicht zu vergleichen mit dem Lello Bookstore in Porto, der als Vorlage für die Bücherei in Harry Potter gedient hatte. Lissabon ist auch die Heimatstadt vieler Philosophen. Der berühmteste war wohl Fernando Pessoa. Ich verstand mich sehr gut mit Florentina die das Hostal führte. Sie war ganz begeistert von meinen einfachen Gerichten die sie nach ein paar Tagen selbst kochte. Als Dank bekam ich des Öfteren Crepes mit Schokolade oder Karamell und frische Tiramisu. Valentina kam schon einiges herum. Ich hatte eine tolle Zeit und vergaß auch das ein oder andere Mal mein Rad das noch immer nicht kam. Die Tage vergingen wie im Flug. Am vorletzten Tag hieß es jetzt von der Post dass es bis zu acht Wochen dauern könnte eher das Rad in Lissabon sein wird. Ich wollte jedoch nicht so lange warten und begann mit den ersten Überlegungen der Weiterreise. Mir blieb wohl nichts anderes übrig als mit den öffentlichen Verkehrsmitteln weiter zu reisen. Ein neues Rad zu kaufen kam aus Kostengründen nicht in Frage. Ich überlegte mir noch eine Woche lang zu warten. Wenn dann das Rad nicht hier sein wird ziehe ich weiter. Gegeben Falls fliege ich zurück nach Lissabon. Die Woche wollte ich jedoch nicht in der Stadt verbringen. Ich hatte genug gesehen und musste meinen Kopf frei bekommen und das geht am besten auf dem Land. Ich fuhr mit dem Zug bis nach Cascais, das westlich von Lissabon am Atlantik lag. Anschließend wollte ich ein paar Tage wandern. Erst im Sintra Massiv und dann zum „Cabo da Roca“, dem westlichsten Punkt des Festlandes von Europa. Das Wetter jedoch versprach nichts Gutes. Ganzzeitig bewölkter Himmel mit örtlichem Regen. Mein Weg führte mich entlang am Atlantik. Mal auf schmalen Pfaden hoch oben auf Klippen oder direkt am Strand entlang. Am ersten Abend erreichte ich einen schönen Zeltplatz hoch oben auf den Klippen mit Blick über einen weit gezogenen Strand. Mein Tages Budget pendelte sich wieder bei der fünf Euro Marke ein und ich hatte genügend Zeit um etwas abzuschalten und Gedanken für weitere Reisepläne zu sortieren. -Erst mal nach Marokko, Dorfwandern in den Berge und dann weiter sehen, die Länder weiter südlich kamen eher nicht mehr in Frage. Des Weiteren musste ich meine Flug stornieren den ich für den Rückflug am 28. August von Dakar aus gebucht hatte. Vielleicht sollte das ja ein reiner Hicking Trip werden- dachte ich mir. Am nächsten Tag lief ich durch Wälder, in denen dichter Nebel hing und das Wasser der letzten Regengüsse von den Blättern und Nadeln tropfte. Am Nachmittag passierte ich einen Eukalyptuswald, Holzfäller zersägten das Holz, eine Maschine lud das Holz fast automatisch auf. Kurze Zeit danach passierte ich Buschlandschaften. Der Regen setzte jetzt wieder stärker ein und ich fand an einem Wasserhaus etwas Schutz vor den Fluten. Am Abend hatte ich die Nasse voll, meine Schuhe waren durchnässt, die Hose ebenfalls und meine Laune war im zweiten Untergeschoss. Wo war nur der Optimismus hin??? Dachte ich mir. Spät abends als ich bereits im Zelt lag um einzuschlafen, war er nach einem Blick auf dem Handy wieder da, der Optimismus. Ich wollte nur schauen wie spät es war, als ich die SMS von Florentina sah. „ Hey Michael your Bike is in the Hostel“. Wow mit allem aber nur nicht mit dem hatte ich gerechnet. Ich war wieder bester Laune und freute mich wie ein kleines Kind meine Reise in den nächsten Tagen fortzusetzen zu können. Den Flug musste ich also auch nicht stornieren. Am nächsten Morgen war ich bereits um kurz vor acht Uhr mit noch nassen Schuhen unterwegs. Das Kap wollte ich mir trotz solch einer Freuden Nachricht vom Vorabend nicht entgehen lassen. Ich lief die letzten Kilometer bis zum „wirklichen Ende der Welt“ um dort eine Weile zu verweilen. Ich war froh wenigstens der Erste gewesen zu sein und ein wenig Ruhe zu genießen bevor ein Bus nach dem anderen anrollte und die Südkoreaner und Chinesen massenweise ausstiegen. Gegen Nachmittag wurde das Wetter besser, der Himmel klarte auf und die Sonne kam hervor. Ich lief die zwanzig Kilometer bis nach Cascais zurück bevor ich am Abend gegen halb fünf wieder in der Stadt war. Am Abend baute ich das Rad zusammen, kaufte die letzten Sachen im „Sport Zone“ und schrieb mehrere Mails an meine Pilgerfreund vergangener Tage um ihnen von meiner Reise zu berichten. Am späten Vormittag des 21. April verließ ich Lissabon auf der Avenida Liberdade und durch die Innenstadt. Mit der Fähre setzte ich über nach Almada auf der anderen Seite des Tejo. Es fühlte sich anfangs sehr komisch und noch etwas wackelig an. Anders als in Australien und Neuseeland vor drei Jahren bin ich jetzt nur mit zwei Packtaschen und einem Pack-sack unterwegs. Ich bin wirklich nur mit dem nötigsten unterwegs. Einiges meiner Wanderausrüstung wie den Rucksack, Stöcke und Schlafsack (habe ich gegen einen dünnere Sommervariante ausgetauscht) habe ich zurückgeschickt. Nachdem ich hinauf zur großen Jesus Statue gefahren bin und den unglaublich schönen Blick zurück auf Lissabon sah wurde mir bewusst dass jetzt „Richtig“ der neue Abschnitt meiner Weiterreise beginnt. Ich freute mich und mir war klar dass es keine einfache Fahrt bis nach Dakar sein wird.
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